29.09.2016
English text below!
Mobilität war für die Menschen immer schon faszinierend. Wenn man im Nachhinein beobachtet, mit welchem Enthusiasmus edelste Reitpferde gezüchtet, elegante Wagen und Kutschen gebaut wurden, kann man verstehen, dass Mann etwas darstellte, wenn er in der Lage war, Distanzen schneller zurückzulegen als zu Fuss. Seine Kutsche oder eben später seine Limousine vorfahren zu lassen, war etwas Besonderes und damals noch wenigen vorbehalten. Fortbewegungsmittel übten auch darum eine besondere Faszination auf uns Menschen – oder besser formuliert – auf uns Männer aus.
Lange dauerte die Zeit der Ochsenkarren, des Pferdewagens, des Fuhrwerks und der Kutschen oder auch «Scheesä» (einachsige, leichte Kutsche, aus dem Französischen la chaise) wie sie bei uns genannt wurden. Bis in die 1880-er Jahre war das Bedürfnis für Mobilität in der Innerschweiz noch gering. Nur wenige Leute unternahmen grössere Reisen. Vor allem Landwirte und Vermögende hatten bei ihren Häusern Stallungen für Pferde und Remisen für die Kutschen und Wagen, die sie im Nahverkehr benötigten.
In der Zeit der Belle Epoque besassen vorwiegend die grösseren Gasthäuser und Hotels Stallungen und Wagenpark. Ohne diese Errungenschaften waren sie nicht mehr konkurrenzfähig. Ich erinnere mich noch gut daran, wie wir als Knaben mit den Söhnen des Hoteliers Weber in den 1955-er Jahren die alten, nun als Garagen umgenutzten Stallungen des Hotels Wysses Rössli in Schwyz an der Archivgasse durchstöbert hatten.
Mein Urgrossvater und mein Grossvater hatten immer Pferde im Stall der Degenbalm stehen. Da die Degenbalm ein schönes und steiles Stück oberhalb des Dorfes Morschach lag, war es notwendig, Fuhrwerke an der Hand zu haben. Einerseits um in der Landwirtschaft eingesetzt zu werden, andererseits um Waren- und Personentransporte für das Hotel Degenbalm vorzunehmen. So verfuhren auch die anderen Betriebe und Hotels in Morschach und im ganzen Lande. Doch die Zeit der Fuhrwerke und Kutschen ging unweigerlich seinem Ende entgegen.
Seit der Erfindung des Verbrennungsmotors und der Entwicklung der ersten Automobile begann der Siegeszug der «Selbstbeweger»! Das Jahr 1886 gilt als das Geburtsjahr des modernen Automobils. Alles begann mit dem «Benz Patent-Motorwagen Nummer 1» vom deutschen Erfinder Carl Benz. 1913 war es dann Henry Ford, der mit dem «Ford Modell T» die Fliessbandproduktion von Automobilen einführte und so für die Massenproduktion von Automobilen mit erschwinglichen Preisen sorgte. Erst 1923 wurden die ersten Lastwagen mit Dieselmotoren gebaut.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts begannen die ersten Autos in der Schweiz zu verkehren. 1892 war davon in der Innerschweiz noch nicht viel zu bemerken, obwohl um die Jahrhundertwende in der Stadt Zürich schon um die 60 Automobile anzutreffen waren. Als die Zahl der Velofahrer und Automobile anstieg, erliessen die Kantone Gesetzte und Vorschriften, die den Verkehr in geregelte Bahnen lenken sollten. Eine erste Polizeivorschrift für Velofahrer, die sinngemäss auch für die neuen Automobile angewendet wurde, erliess der Kanton Schwyz schon 1893. Die ersten Autos von Personen im Kanton Schwyz begannen erst im 20. Jahrhundert über die Strassen zu «brausen», wenn man die Geschwindigkeit von 10-20 km/h innerorts und ungefähr 30 km/h ausserorts damals auf den schlechten Strassen so bezeichnen konnte.
Wer im Kanton Schwyz als erster oder erste ein Auto gefahren hat, lässt sich leider nicht mehr feststellen, da vor 1904 gar keine richtigen Nummern vorgeschrieben waren. Um 1905 sollen nur zwei Schwyzer ein Auto besessen und geführt haben und um 1911 hatten nur 27 Personen einen PKW. Für das Jahr 1914 sind es 70 Personen, die einen Ausweis für einen PKW lösten, was nicht auch heisst, dass sie einen besessen hatten. Der Bestand an Automobilen nahm nur langsam zu. Im Jahre 1927 waren es deren 476. Die ersten offiziellen Autonummern wurden erst 1905 in Betrieb genommen. Dem Kanton Schwyz wurden die Nummern von 2701 bis 2900 zugeteilt. Als die Nummern nicht mehr ausreichten mussten sie hinten mit Buchstaben ergänzt werden. Erst 1932 mit dem neuen Motorfahrzeuggesetz kamen die Nummernschilder mit den Wappen und fortlaufenden Nummern ab SZ 1 zum Zuge.
Diese neumodischen Autofahrer waren nicht gern gesehen. Man fürchtete, dass die Pferde durchgehen würden und viele Unfälle geschehen könnten. In Zeitungen nannte man den Autoverkehr eine grosse Gefahr für Mensch und Vieh. Man wollte auch die Ruhe und die frische Luft nicht mit Motorengeknatter und Staubwolken belasten. Kutscher und Autofahrer waren regelrecht miteinander verfeindet. Fuhrhalter und Kutscher hatten Angst von der Strasse gedrängt zu werden. Weiter reklamierten sie Strassenschäden, die durch die Autos verursacht würden. Vor allem reiche, fremde, ausserkantonale Autofahrer waren nicht gern gesehen. Mancherorts wurden Autos mit Jauche bespritzt oder die Fahrer übel beschimpft und angepöbelt. Von 1912 bis 1924 galt sogar ein von der Regierung verfügtes Sonntagsfahrverbot, vor allem für ausserkantonale Automobile.
Der Siegeszug des Automobils war dadurch nicht aufzuhalten, obwohl zu Beginn nur sehr begüterte Personen sich ein solches leisten konnten. Die Zahl der kantonalen Automobile stieg stetig an und mit besseren Strassen und der Einführung des Asphalts stieg auch die Azeptanz.
Die ersten Automobile, die in Morschach in Verkehr kamen, werden wohl den beiden grossen Hotels Axenstein und Axenfels gehört haben. Dies wird nach der Jahrhundertwende geschehen sein. Auch das Hotel Degenbalm und das Hotel Frohnalp besassen sehr früh einen eigenen Wagen. In den Hotelprospekten wird dafür geworben, dass man mit eigenem Wagen die Gäste abhole und mit Gepäck ins Hotel chauffiere. Während des Aufenthalts organisierten die Hoteliers für ihre Gäste Ausflüge mit ihren Automobilen in die nähere und weitere Umgebung zu den Sehenswürdigkeiten.
Franz Greter vom Hotel Fronalp hatte für seinen Luxus Packard sogar einen eigenen Chauffeur. Fridolin Betschart aus Morschach durfte das grosse Automobil pilotieren, das Franz Greter als Occasion nach einem Staatsbesuch mit gekrönten Häuptern erworben haben soll. Sogar eine eigene Tanksäule mit Handpumpe nannte er sein eigen.
Das erste Automobil des Hotels Degenbalm war ein Fiat Zero 13/31 mit Jahrgang 1915, der vom Hotelier Augustin Immoos-Binzegger selber gefahren wurde (Bild weiter unten). Er hatte einen 1.9 Liter Motor, verbrauchte rund 12-15 Liter Benzin und erreichte ungefähr 70 km/h, auf guten Strassen. Welche Nummer ihm zugeteilt wurde, konnte ich nun mit Hilfe von Christian Lang, einem anerkannten Sammler und Experten für alte Kontrollschilder herausfinden. Im Verzeichnis der Bundesnummern vom 01.06.1929 ist unter dem Kontrollschild No. 2851 folgender Eintrag vermerkt: Halter: Immoos, August, Hotelier in Morschach; Fahrzeug: Fiat Jahrgang 1915 mit PS 13/31. Das Schild dürfte ungefähr so ausgesehen haben, wie meine Fotomontage es unten darstellt. Es ist leider nicht mehr erhalten.
Die Wasserkühlung soll einige Male tüchtig gesotten haben, als das Auto voll beladen durch die steile Degenbalmstrasse aufwärts oben das Hotel erreicht hatte. Im Bild unten sieht man den Fiat Zero bei einem Halt im Urnerland auf einer Passfahrt mit Hotelgästen.
Der zweite Wagen des Hotels Degenbalm war ein grosser Oldsmobile (Bild unten). Dieser war schon mit einem weissen Kontrollschild immatrikuliert und wurde meistens vom Sohn des Hoteliers, Arthur Immoos pilotiert. Nach der Schliessung des Hotels Degenbalm soll – laut Auskünften meines Cousins – der Oldsmobile noch lange hinten im Unterstand beim Chalet gestanden und von den Kindern der Degenbalm als Abenteuerspielzeug benutzt und maltärtiert worden sein. Später wurde das für nutzlos erachtete Fahrzeug verschrottet.
Es fuhren immer mehr Autos und auch Reisecars nach Morschach und besiegelten dadurch in den 60-er Jahren das Aus für die Brunnen-Morschach-Axenstein Bahn. Sie wurde durch einen Postautobetrieb ersetzt.
Bildquellen:
Titelbild: Oldtimer (Oldsmobile des Hotels Degenbalm, Morschach), als die Räder motorisiert rollten; Fotocollage: Ruedi Immoos; Oldtimer aus Familienarchiv Immoos, Morschach
Beitragsbild: Kutsche auf der Strasse nach Morschach; Fotoausschnitt eines Fotos im Archiv der Kulturgruppe Morschach, Ernst Immoos
Beitragsbild: Pferdeschlitten des Hotels Degenbalm mit Augustin Immoos und Frieda Immoos-Binzegger und Sohn Arthur; Foto Familienarchiv Immoos
Beitragsbild: Autonummer ab 1905; Foto Ernst Immoos im Bote der Urschweiz
Beitragsbild: Anlasser; Kurbel an einem Oldtimer Austin Seven; Fotograf rocky77; Some rights reserved. Quelle: www.piqs.de (ID: ca9401beae6494e011abdf47eee4324b)
Beitragsbild: Packard des Hotels Fronalp mit Fridolin Betschart; Foto Archiv Kulturgruppe Morschach, Ernst Immoos
Beitragsbild: Kontrollschild des Bundes Nr. 2851 des Hoteliers Augustin Immoos-Binzegger; Fotomontage: Ruedi Immoos. Das Schild ist nicht mehr echt vorhanden.
Beitragsbild: Fiat Zero 13/31 Jg. 1915 des Hotels Degenbalm mit Gästen und Chauffeur Augustin Immoos auf Urner Passstrasse; Foto Familienarchiv Immoos
Beitragsbild: Oldsmobile des Hotel Degenbalm um 1945 auf einer Fahrt zur Taufe von Beat Amstad nach Schwyz; Foto verdankenswert zur Verfügung gestellt von Beat Amstad, Brunnen
Beitragsbild: Bahn und Postauto; Foto Archiv Kulturgruppe Morschach, Ernst Immoos
Links und Textquellen:
Autogeschichte Schweiz
Geschichte des Automobils
Autonummern in der Schweiz
Hotelgeschichte Morschach
Verkehrsgeschichte der Schweiz
Historische Verkehrswege im Kanton Schwyz
Erste Autofahrt auf die Rigi (Filmdokument)
Geschichten aus der Frühphase des Automobilismus im Kanton Schwyz
Fiat Modelle bis 1945; Wikipedia
Fiat zero Jahrgang 1915
Geschichte des Kantons Schwyz, Band 5 + 6; Hrg. vom Historischen Verein des Kantons Schwyz; Chronosverlag; S. 187 ff. / S. 99 ff.
English:
09.29.2016
As the cars in Morschach the horses, carriages and the railway made a full end.
Mobility has always been fascinating for people. If one observes the event, the enthusiasm bred noble horses, elegant carriages and coaches were built, one can understand that man represented something when he was able to cover distances faster than on foot. His coach or to just pull up his limo later was something special and then still a few reserved. Transportation practiced also about a special fascination for us humans – or better formulated – to us men.
Lange took the time of the oxcart, the horse carriage, the carriage drive and the carriages or „Scheesä“ (single-axis carriage) as they were called at us. Until the 1880-ies the need for mobility in central Switzerland was still low. Few people took big trips. Especially farmers and wealthy had. Their houses stables for horses and sheds for carriages and coaches that they needed in transport
During the Belle Epoque mainly possessed the larger inns and hotels stables and car park. Without these achievements, they were no longer competitive. I remember well how we had ransacked as a boy with the sons of hoteliers Weber in the 1955-ies the old, now redeveloped as garages stables of the hotel Wysses Rössli in Schwyz at the archive alley.
My great-grandfather and my grandfather had always standing horses in the stable of Degenbalm. Since the Degenbalm was a beautiful and steep stretch above the village Morschach, it was necessary to have carts at hand. To one hand to be used in agriculture, on the other hand make to goods and passenger transport for the hotel Degenbalm. To seduce the other businesses and hotels in Morschach and throughout the country. But the days of wagons and carriages went inevitably to an end.
Since the invention of the internal combustion engine and the development of the first cars of the triumph of cars began! The 1886 is considered the year of birth of the modern automobile. It all started with the „Benz Patent Motor Car Number 1“ from the German inventor Carl Benz. 1913 it was Henry Ford, who introduced the Ford Model T, the assembly line production of automobiles and so cared for the mass production of automobiles with affordable rates. Only in 1923 the first trucks were built with diesel engines.
In the late 19th century the first cars in Switzerland began to operate. 1892 was it not much to notice in central Switzerland, although had to turn of the century in the city of Zurich have found about 60 automobiles. As the number of cyclists and automobiles increased, the cantons enacted laws and regulations that should guide the traffic in regulated railways. An initial police provision for cyclists, which was analogously applied for new automobiles, issued the Canton Schwyz already in 1893. The first cars of people in the canton of Schwyz began in the 20th century on the streets to „roar“ when the speed of 10-20 km / h in urban areas and about 30 km / h at the time long distance on the bad roads so could call. Who drove in Canton Schwyz as the first car, unfortunately, can not be ascertained, because before 1904 no proper numbers were prescribed. Around 1905 are only two Schwyzer have owned and managed a car and in 1911 had only 27 people a car. There are 70 persons for 1914, which triggered a card for a car that does not even say that they had had a. The stock of automobiles grew only slowly. In 1927 it was the 476.
The first official car numbers were taken in 1905 in operation. The Canton of Schwyz were to the numbers from 2701 to 2900. As the numbers no longer align it had to be supplemented with back letters. In 1932 with the new Motor Vehicle Act, the license plates with the arms and consecutive numbers came from SZ 1 to the course.
This newfangled motorists were not welcome. It was feared that the horses go through and could happen many accidents. In newspapers called the traffic a great danger to humans and livestock. They wanted the peace and fresh air do not burden with noise and dust clouds. Coachmen and motorists were downright hostile to one another. Coach holder and driver had to be afraid of the street crowded. Next they complained about road damage that would be caused by the cars. Especially rich, foreign, outside the canton motorists were not welcome. In some cars were sprayed with liquid manure or the driver insulted and badly abused. From 1912 to 1924 was even taken by the government Sunday operations, especially for extra-cantonal automobiles.
The advent of the automobile was characterized unstoppable, although at the beginning only very wealthy people could afford such. The number of cantonal Automobile rose steadily and with better roads and the introduction of the asphalt also rose acceptance.
The first cars that came in Morschach in traffic, hear the two big hotels and Axenstein Axenfels. This will be done after the turn of the century. Also the hotel Fronalp and hotel Degenbalm possessed very early own car. In the hotel brochures advertised that guests can fetch with private cars and chauffiere to the hotel with luggage. During the stay, the hotelier organized for their guests excursions with their automobiles in the near and far to the sights.
Franz Greter the hotel Fronalp even had a chauffeur for his luxury Packard. Fridolin Betschart from Morschach could be driving the big car that Franz Greter should have acquired as Occasion for a state visit with crowned heads.
The first car of the Hotel Degenbalm was a Fiat Zero 13/31 with vintage 1915, driven by the hotel owner Augustin Immoos-Binzegger. He had a 1.9 liter engine, consumed about 12-15 liters of gasoline and reached about 70 km / h on good roads. Which number was assigned to him, I could now find with the help of Christian Lang, a recognized collector and expert for old control signs. In the list of Federal Codes of June 1, 1929, under the control plate no. 2851 the following entry: Owner: Immoos, August, Hotelier in Morschach; Vehicle: Fiat Year 1915 with PS 13/31. The sign should have looked something like my photo montage below. It is unfortunately no longer available.
The cooling of the water was supposed to have been a good many times when the car had reached the hotel fully loaded by the steep Degenbalmstrasse. In the picture below you can see the Fiat Zero at a stop in the canton of Uri on a pass with hotel guests
The second car of Hotel Degenbalm was a large Oldsmobile (picture below). This was already enrolled with a white control sign and was mostly piloted by the son of the hotelier, Arthur Immoos. After closing the Hotel Degenbalm – according to the information of my cousin – the oldsmobile was still standing in the back of the chalet for a long time and was used by the children of Degenbalm as an adventure toy and painted. Later the vehicle deemed useless was scrapped.
Soon more and more cars and buses drove to Morschach and sealed by the failure of its Brunnen-Morschach-Axenstein railway. It was replaced by a postal buses.