08.10.2016
English text below!
Wir Menschen des beginnenden 21. Jahrhunderts sind uns an eine übergreifende, freie Mobilität, verbunden mit einem riesigen Verkehrsaufkommen auf Strasse, Schiene und in der Luft, gewohnt. Die meisten Leute sind viel unterwegs, sei es als Pendler, Berufstätige, bei der Freizeitbeschäftigung oder als Ferienreisende. Ein Ziel auf unserem Planeten zu erreichen, stellt für die meisten Menschen unseres Landes kein unlösbares Problem dar, von den vielen Staus auf den Strassen oder dem Gedränge in den öffentlichen Verkehrsmitteln einmal abgesehen. Unsere Ahnen hätten sich so etwas nicht einmal in den allerkühnsten Träumen vorstellen können. Und die meisten unserer heutigen Zeitgenossen haben keine genaue Vorstellung mehr, wie Verkehr vor 1900 oder noch früher in unserer Schwyzer Heimat eigentlich funktionierte.
Schauen wir einmal etwas zurück in die Zeit, als unsere Ahnen und Urahnen im Kanton Schwyz ihr Leben zu meistern hatten. Vor ungefähr 1850 war das Bedürfnis nach Mobilität für viele Teile des Volkes im Kanton Schwyz und der näheren Umgebung beinahe inexistent. In den Dörfern, vor allem in den Bergen, gab es Menschen, die zeitlebens die Gemeindegrenzen nicht überschritten oder sogar ihr Dorf nie verlassen haben. Notwendig war es nicht. Vielleicht besuchten Vereinzelte einmal einen Markt in der nächsten grösseren Ortschaft oder nahmen aus religiösen Gründen oder wegen einer Verurteilung die Strapazen einer Wallfahrt nach Steinerberg oder Einsiedeln unter die Füsse. Grössere Reisen unternahmen meistens nur Söldner, Gebildete, Kleriker, Emigranten oder die gesellschaftliche und politische Elite. So wird es auch lange in Morschach gewesen sein.
Der Verkehr wurde zur damaligen Zeit hauptsächlich auf dem Wasserweg durchgeführt. Unsere Alpenrandseen boten sich lange als bequeme Transportwege an. Waren von Zürich kamen über den Zugersee nach Immensee. Von dort wurden sie über Land durch die «Hohle Gasse» nach Küssnacht und von dort wiederum auf dem Vierwaldstättersee auf Ruder- oder Segelbooten, später mit Dampfschiffen nach Luzern, Brunnen oder weiter nach Flüelen transportiert. Brunnen entwickelte sich dadurch zu einem Zoll- und Umschlagplatz für Waren und Vieh im Handel über den Gotthard nach Italien. Morschach hatte sogar «im Ort» eine Sust, einen eigenen Umschlagplatz, um Waren nach Morschach zu tragen oder zu säumen.
Das Wegnetz über Land bestand hauptsächlich aus wenig befestigten Karr-, Fahr-, Vieh-, Saum- und Fusswegen. Diese Wege und Pfade wurden lokal mit Karren und Wagen befahren, während Warentransporte über weitere Landdistanzen meistens durch die Säumerei erfolgten.
Wege verliefen meistens am Hang, etwas oberhalb, weil die Ebenen oft versumpft waren. Je gebirgiger eine Gegend war, desto weniger konnte gefahren und musste geritten, getragen oder gesäumt werden. Reisen war darum in dieser Zeit kein grosses Vergnügen und mit erheblichen Strapazen, Gefahren und Kosten verbunden. Dass alles auch viel länger dauerte, muss nun jedem einleuchten. Schiffstransporte von Luzern nach Flüelen konnten mehrere Tage dauern, je nach Wind, Wellengang und Ruderkraft. Da muss man sich vorstellen, was es bedeutete, als die Dampfschiffe von Luzern nach Flüelen nur noch einige Stunden benötigten.
Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts begann man in unsrer Gegend die bestehenden Wege und Pfade auszubauen und zu befestigen. Gefördert durch die Entwicklungen der «Belle Epoque» wurden bessere Verkehrswege über Land und zu den Urschweizer Seen errichtet. Richtige Strassen entstanden erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Paradebeispiel in unserer Gegend ist dabei die Axenstrasse und die Strasse nach Morschach. Man muss sich jedoch unter diesen Strassen Bauwerke vorstellen, die mit möglichst geringer Steigung und in Postkutschenbreite gebaut, aber nur gestampft oder mit Kies befestigt waren. Auf diesen Strassen verkehrten Kutschen, Fuhrwerke und auch die fahrplanmässigen Postkutschenverbindungen. Dieser Verkehr wirbelte im wahrsten Sinne des Wortes viel Staub auf.
In den Dörfern unseres Schwyzerlandes war die Gasse und der Dorfplatz tonangebend. Richtige, breite Strassen kamen erst später. Schwyz hiess früher sogar «zu den Kilchgassen». Der Verkehr bewegte sich, zu Fuss, zu Pferd, oder mit Karren, Wagen, Kutschen und Chaisen durch die vielen, engen Gassen. Das reichte damals vollends. Viele Namen erinnern noch daran, auch wenn die Gassen verbreitert wurden oder heute nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Herrengasse, Schmiedgasse, Pfarrgasse, Schulgasse, Strehlgasse, Reichsgasse, Archivgasse, Sedlerngasse, usw. erinnern in Schwyz heute noch an diese Zeit. Mit der Alten Gasse und der Eisengasse hat auch Brunnen und mit der Silbergasse und der Obergasse unser Heimatdorf Morschach eine Erinnerung an diese Zeit des vormotorisierten Verkehrs.
Um die Mitte des 19. Jahrhunderts dampften auch die Bahnen in unsere Heimat. Vor allem die Bergbahnen auf die Rigi machten Furore. Die Königin der Berge zog die begüterten Reisenden aus ganz Europa an den Vierwaldstättersee. Davon profitierten diese Regionen. Dampfschiffe und Eisenbahnen führten die Reisenden immer mehr auch in abgelegene Berggebiete. Der Bau der Gotthardbahn brachte dem Dorf am See 1882 den Durchgangsbahnhof Brunnen. Dieser verband die Urschweiz mit der übrigen Schweiz und Europa.
Die goldene Zeit des Tourismus um den Vierwaldstättersee und zu den geschichtsträchtigen Stätten begann.
Zusammen mit der Dampfschifffahrt und der Erföffnung von Luxushotels sowie der elektrischen Zahnradbahn von Brunnen nach Morschach und auf den Axenstein im Jahre 1905, dürften wohl auch einfachere Leute aus den Reihen unserer Vorfahren erste Reiseerfahrungen mit Kutsche, Bahn und Schiff gemacht haben.
Die grosse Revolution des Verkehrs, der Verbrennungsmotor, war damals schon in den Startlöchern, um unsere Heimat der Moderne entgegen zu führen.
Bildquellen:
Titelbild: Steuerung Dampfschiffe; free photo pixabay.com
Beitragsbild: Stau; free photo pixabay.com
Beitragsbild: Verkehr um den Vierwaldstättersee; alte Postkarte; private Sammlung
Beitragsbild: Karrenweg, Pfad; free photo pixabay.com
Beitragsbild: Säumer; J. Zinsli, der letzte Säumer am Glaspass; Wikipedia; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Säumer_Glaspass.jpg
Beitragsbild: Planwagen; Truck aus vergangenen Zeiten; Foto: gammelstaad; Some rights reserved. Quelle: www.piqs.de
Beitragsbild: Morschacher Postkutsche auf der Axenstrasse; alte Postkarte; Postgeschichte Morschach: http://immoos.li/wa_files/Postgeschichte_20Morschch_tiff.pdf
Beitragsbild: Reichsgasse Schwyz, zwei Bilder; Foto Ruedi Immoos
Beitragbild: Brunnen, Dampfschiff, Bahn und Axenstrasse; alte Postkarte um 1900; private Sammlung
Beitragsbild: Brunnen Schifflände Ende 19. Jh.; alte Postkarte um 1900; private Sammlung
Beitragsbild: Brunnen-Morschach-Axenstein-Bahn; Foto um 1930, Archiv Kulturgruppe Morschach; Ernst Immoos
Links:
Historische Verkehrswege im Kanton Schwyz
Schönenbuch: Alte Wege und Übergänge; Franz auf der Maur
Geschichte des Verkehrs in der Schweiz
Säumerei
Geschichte von Morschach
Geschichte der Gotthardbahn
English:
10.08.2016
How our great-grandparents and their ancestors transported goods and traveled in the canton of Schwyz.
We people of the beginning of the 21st century are accustomed to an extensive free mobility, combined with a huge traffic on the road, rail and in the air. Most people are traveling a lot, whether as commuters, professionals, leisure or holiday travelers. Achieving a goal on our planet is not an insoluble problem for most people in our country, apart from the many traffic jams on the streets or the crowds in public transport. Our ancestors could not have imagined such a thing even in the most daring dreams. And most of our contemporaries have no precise idea of how traffic used to function before 1900 or even earlier in our Schwyzer homeland.
Let us take a look back at the time when our ancestors and ancestors in the Canton of Schwyz had to master their lives. About 1850, the need for mobility was almost non-existent for many parts of the people in the canton of Schwyz and the surrounding area. In the villages, especially in the mountains, there were people who have not crossed the municipal boundaries or even left their village. Perhaps singles visited once a market in the next larger village or for religious reasons or because of a condemnation under the footsteps of a pilgrimage to Steinerberg or Einsiedeln under the feet. Larger journeys usually only involve mercenaries, educated, clerical emigrants or the social and political elite. So it will have been long in Morschach.
At that time the traffic was mainly carried on the waterway. Our alpine lakes have long been a convenient transportation route. Goods from Zurich came across the lake of Zug to Immensee. From there they were transported across the country through the „Hohle Gasse“ to Küssnacht and from there again on the rooks or sailboats on the lake of Lucern, later by steam ships to Lucerne, Brunnen or on to Flüelen. Well thereby developed into a customs and transshipment place for goods and livestock in trade over the Gotthard to Italy. Morschach even had „a place“ in Sust, his own transshipment station to carry or line goods to Morschach.
The road network across the country consisted mainly of low-level carts, cattle, dirt, and footpaths. These roads and paths were traversed locally by carts and wagons, while transports of goods via other land districts were usually carried out by the clearing. The more mountainous a region was, the less could be driven and had to be ridden, worn or lined. Travel was therefore not a great pleasure during this time and connected with considerable hardships, dangers and costs. That everything went on for a long time now has to be clear to everyone. Ship transports from Lucerne to Flüelen could take several days, depending on wind, wave and rudder. One must imagine what it meant when the steamboats from Lucerne to Flüelen needed only a few hours.
It was only in the course of the nineteenth century that the existing paths and paths began to be expanded and fortified in our region. Promoted by the developments of the «Belle Epoque», better transport routes were built across the country and to the lakes of the canton of Schwyz. Proper roads were built in the second half of the 19th century. A parade example in our area is the Axenroad and the road to Morschach. However, one must imagine buildings under these streets that were built with a slight incline and in the width of the coaches, but were only tamped or fixed with gravel. On these streets, coaches, wagons and also the timed postal coach connections. This traffic swung a lot of dust in the truest sense of the word.
In the villages of our Schwyzerland, the alley and village square were the most important. Proper, broad streets came later. Schwyz was even called „to the Kilchgassen (church alley)“. The traffic moved, on foot, on horseback, or with carts, carts, carriages, and chaises through the many, narrow streets. That was enough at the time. Many names still recall, even if the streets were broadened or today only a subordinate role play. Herrengasse, Schmiedgasse, Pfarrgasse, Schulgasse, Strehlgasse, Reichsgasse, Archivegasse, Sedlerngasse (gasse = alley), etc. are still remembered today in Schwyz. Alte Gasse and Eisengasse also have Brunnen and the Silbergasse and the Obergasse our home village Morschach is a reminder of the time of the motorized traffic.
Around the middle of the 19th century the railways also steamed our home. Above all the mountain railways on the Rigi caused a sensation. The Queen of the Mountains attracted the wealthy traveler from all over Europe to Lake Lucerne. These regions benefited from this. Steam ships and railways led travelers increasingly to remote mountain areas. The construction of the Gotthardbahn brought the village by the lake 1882 the passage station in Brunnen. This linked the original Swiss to the rest of Switzerland and Europe. The golden age of tourism around Lake Lucerne and its historical sites began. Together with the steamship and opening of Luxushotels as well as the electric cogwheel railway from Brunnen to Morschach and to the Axenstein in 1905, probably simpler people from the ranks of our ancestors probably have made first travel experiences with coach, train and ship. The great revolution of traffic, the internal combustion engine, was already in the starting blocks, in order to meet our modernity.