Milchstrasse fotografieren aber wie?

Datum: 29. Oktober 2018

Eine Kurzanleitung

Ja, das Fotografieren der Milchstrasse ist nicht ganz so einfach. Wir haben viel Literatur studiert, viele hunderte solcher Fotos von Astrofotografen analysiert und selber lange geübt, auch unter Anleitung eines Fotokollegen, der das Metier ausserordentlich gut beherrscht und mit dem ich immer wieder auf Milkyway-Tour unterwegs war, auch bis Anfangs 2021! Es dauerte aber einige Zeit, bis wir den Dreh so raus hatten, dass die Milchstrassenfotos eine sehr gute Qualität aufwiesen.

Wie geht man nun dabei zu Werke?
Wir nehmen mal an, dass du dich mit manuellen Einstellungen am Fotoapparat auskennst. Das ist eine Grundbedingung für die Fotografie des Sternenhimmels und der Milchstrasse. Dazu versuchen wir dir hier eine Schnellanleitung zu geben:

Titisee-Milchstrasse-Boote_DSC7938-Signet-web

Diese Aufnahme von Birgit am Titisee mit den Booten war ganz schwierig, weil zu viel Vordergrundlicht vorhanden war. Diese ist übrigens eine „one shot“, nur aus einer Aufnahme bestehend.

  1. Milchstrasse nur bei und um den Neumond fotografieren (also kein Mond, der scheint am Himmel). Es sollte möglichst dunkel sein.
  2. Fotoapparat vorher vorbereiten, automatische Rauschentfernung bei Langzeitaufnahmen und/oder hohen ISO-Werten im Menü ausschalten.
  3. Ein sehr lichtstarkes Weitwinkelobjektiv mit mindestens f2.8 Offenblende verwenden; f1.8 oder f1.4 ist absolute Spitze und natürlich noch besser.
  4. Keine Filter, ausser den UV-Schutzfilter oder den speziellen Nachtfilter für Astroaufnahmen verwenden (gibt’s z. B. bei Haida oder anderen Herstellern, soll die Lichtverschmutzung im Bild etwas eindämmen).
  5. Alle Einstellungen manuell vornehmen.
  6. Nur den manuellen Fokus verwenden. Wir stellen noch bei genügend Licht am Spot mit dem Autofokus auf eine genügende Entfernung (in der hyperfokalen Distanz, musst halt recherchieren, wenn du das nicht kennst) scharf,  so dass praktisch vom Vordergrund bis unendlich alles scharf abgebildet wird, schalten den Autofokus am Fotoapparat und am Objektiv dann aus und kleben den Fokusring auf dieser Stellung mit Isolierband ab, damit man ihn in der Nacht bei Dunkelheit nicht versehentlich verstellt. Darauf achten, dass du auch die Brennweite bei einem Zoomobjektiv so belässt und nicht mehr herumzoomst. Das hat nämlich einen Einfluss auf den optimalen Fokus und die Schärfe des Bildes.
  7. Wenn du die Kamera auf’s Stativ montierst, musst du den automatischen Verwacklungsschutz am Objektiv ausschalten. Das ist ganz wichtig, sonst arbeitet er trotzdem – aber kontrproduktiv – und verwackelt das Foto, weil die Kamera sich wegen der Fixation auf dem Stativ ja nicht bewegt.
  8. Ich denke, du weisst, wie man die Milchstrasse lokalisiert, weil du sie ja meist von blossem Auge nicht gut siehst. Sonst musst du recherchieren. Du musst wissen, wo und an welchen Daten sie von wann bis wann sichtbar ist. Am besten geht das mit einer Astro-App mit dem Handy. Kurz gesagt, du musst sie immer ungefähr im Süden, genauer im Südsüdosten suchen. Sie ist nicht von Anfang an da, sondern erscheint langsam und zieht hoch, wenn ihre Zeit gekommen ist. Diese Zeiten  und den genauen Ort des Erscheinens findet man in der App, wenn man sie richtig bedienen kann. Es lohnt sich, dies vorher trocken zu üben!
  9. Wenn du den Bild-Ausschnitt mit dem Sucher oder dem Live-Bildschirm der Kamera eingestellt hast, musst du unbedingt das Okular beim optischen Sucher abdecken. Nikon hat eine kleine Klappe, die mit einem Hebelchen betätigt werden kann. So kann kein Fehllicht von hinten über die Spiegel auf den Sensor kommen und dir dein Foto mit Streulicht negativ beeinflussen. Lass auch den Live-Bildschirmmodus nicht zu lange laufen, sonst erwärmt sich der Sensor zu stark und rauscht dann mehr.
    (Single shot)
    Milchstrasse-Illgau-Wartkapelle-mit-Strasse_DSC6790-Signet-web
  10. Wichtig ist, dass du in der Nacht nur eine Stirnlampe mit Rotlicht benutzt, damit sich deine Augen immer schneller wieder an die Dunkelheit adaptieren können. Am besten ist es, wenn du die Kamera total ohne Licht ganz blind bedienen kannst (üben, üben, üben!).
  11. Seid ihr zu zweit oder sind mehrere Fotografinnen und Fotografen an diesem Spot, musst du mit Licht machen sehr vorsichtig sein, das lieben die Fotografen gar nicht. Dann ist es von Vorteil, wenn du sogar die Bedienungsleuchten und die Bildschirmbeleuchtung der Kamera vorher total im Menü ausschaltest. Jedenfalls musst du immer vorher fragen, ob man jetzt Licht machen kann oder, ob jemand gerade ein Foto belichtet.
  12. So nun zu den Einstellungen. Das ist halt ein wenig unterschiedlich, je nach Kameramodell, Objektiven und Helligkeit der Umgebung. Ich rate dir, an der Kamera zum Beginnen einmal folgende Einstellungen manuell vorzunehmen:
    Blende total offen, also z.B. je nach Lichtstärke des Objektivs f1.4; f1.8; f2.8, dann bei der Belichtungszeit einmal 15 sec und bei den ISO erstmals einen Startwert von ca. 1600 einzustellen (ISO-Automat ausschalten). Zu viel ISO gibt das unbeliebte Rauschen (die meisten neueren Profi-Kameras vertragen zwar etwa bis zu 4000 ISO einigermassen, bei mehr rauscht es gewaltig. Das ist aber sehr unterschiedlich bei den verschiedenen Kameramarken. Zu lange Belichtungszeiten (mehr als ca. 20-25s) geben keine schönen, punktartigen Sterne. Diese werden dann durch die Erdrotation in dieser Zeitspanne schon zu Strichen oder Kommas, was auf dem Bild nicht gut ausschaut. Zu hohe ISO-Werte verrauschen das Foto, nehmen zu hell auf und erwecken den unnatürlichen Anschein, man hätte das Foto am Tage aufgenommen.
    (Single shot)
    Milchstrasse Engadin Silsersee mit Lichtspuren und Sternschnuppe_DSC5429-Signet-web
  13. Willst du mal die ganze Umgebung etwas heller sehen, damit du den Ausschnitt kontrollieren kannst, machst du mal ein Probefoto mit ca. 10’000 ISO. Dann kannst du beim Bildausschnitt noch letzte Korrekturen vornehmen und wieder kontrollieren. Wir raten, möglichst kleine Brennweiten zu vewenden, damit möglichst viel auf dem Bild ist, der Schärfentiefenbereich möglichst gross ist und man bei der Entwicklung den Bildausschnitt auch noch etwas geraderichten und korrigieren kann. Versuche auch immer sicher zu stellen, dass du möglichst viel von der Milchstrasse auf dem Himmel hast. Das ist ja die Hauptsache.
  14. So nun noch was zum Auslösen des Fotos. Es gibt vier Möglichkeiten: Selbstauslöser, Kabelfernauslöser, Funkfernauslöser oder eine Einstellung mit Spiegelvorauslösung im Menü (neu heisst das auch Belichtungsverzögerung), z. B. 3 oder 5 sec, im Menü einzustellen. Eher nicht zu lange, sonst dauert es eine Ewigkeit, bis du die nächste Foto schiessen kannst! Bei Spiegelreflexkameras muss man die Spiegelvorauslösung immer verwenden (bei Nikon heisst sie MUP), sonst kann die Aufnahme durch Fibration verwackeln. Bei spiegellosen Kameras ist nur eine Fernbedienung oder eine belichtungsverzögerte Auslösung (im Menü einstellen) notwendig. Wir verwenden gute Marken-Kabelauslöser und Marken-Funkfernauslöser sowie auch ein besonders massives Stativ, damit ist man auf der sicheren Seite, dass nichts verwackelt.
    (Single shot)
    Milchstrasse-Mostelegg-mit-Kreuz-1-Signet-web
  15. Und nun gilt es halt, Fotos mit verschiedenen Einstellungen der Zeit (von ca.  5-20, allerhöchstens 25 sec) und angepassten ISO-Einstellungen (von ca. 1000 – ca. 6000) zu machen, um zu schauen, wo es die besten Fotos gibt. Am Anfang ist das notwendig, mit mehr Zeit und Erfahrungen hat man es sofort im Gefühl, welche Einstellungen dieser Spot und dessen Umgebungslicht etwa verlangen. Es gibt in den Apps Tabellen, bei denen man die optimalen Einstellungen für die verschiedenen Objektive nachlesen kann.
  16. Wir fotografieren nur mit RAW und entwickeln und bearbeiten dann die Fotos mit dem PS-RAW-Konverter, PS und LR. Da muss man dann die Milchstrasse etwas herauskitzeln und eventuell vorhandenes Farb- (zuerst) und Luminanzrauschen (nachher) entfernen. Für die Entwicklung und Bearbeitung von Milkyway-Fotos gibt es spezielle Kurse von den meisten Kamera- und Software Anbietern durch ihre Amadssadors.
    (Double shot) Timeblending oder Composing
    Diessen-Raisting-Milchstrasse-comp-Antenne_DSC_7605-1-a-1-Signet-web
  17. Normalerweise machen wir für ein Milchstrassenfoto immer zwei Aufnahmen am gleichen Spot aber mit unverändertem Bildausschnitt für ein Timeblending. Eine (oder mehrere mit verschiedenen Einstelllungen) des Vordergrundes, mit wenig ISO und langer Zeit, (z. B. noch in der blauen Stunde) und dann später, wenn die Milchstrasse mit ihrem galaktischen Zentrum oben steht, eine (oder viele) mit ganz verschiedenen Einstellungen der Milchstrasse und des Vordergrundes gemeinsasm, eben mit verschiedenen kurzen Zeiten (10-25 s) und diversen verschiedenen höheren ISO-Werten. Vor dem Entwickeln werden die Fotos gesichtet, begutachtet und die besten kommen einzeln in die RAW-Entwicklung und Endbearbeitung. Nachher rechnen wir die beiden besten dieser ausgesuchten Fotos, eine vom Vordergrund und eineder MW, in PS zu einem stimmigen Foto zusammen. Dieses Foto erhält dann den Schlussfinish in der Bearbeitung. So erhält man die besten Ergebnisse mit klarer Milchstrasse, mit schönen Sternenpunkten und gutem, etwas aufgehelltem, rauschfreiem Vordergrund. Genau genommen ist das ein Double shot, von vielen auch Timeblending (Fotos mit zeitlichem Unterschied am gleichen Ort aufgenommen) genannt. Von Composing spricht man, wenn die beiden oder verschiedenen Aufnahmen, die verwendet werden, nicht vom gleichen Spot und gleichen Tag oder Abend stammen.
  18. Es ist aber im Gegensatz auch möglich, eine Single shot Aufnahme zu machen. Diese besteht aus nur einer einzigen Aufnahme zum Zeitpunkt, wenn die Milchstrasse ihren Höhepunkt erklommen hat. Dann muss aber alles stimmen und es muss vorher alles genau vorbereitet, eingestellt und ausprobiert worden sein, damit dann im entscheidenden Moment alles auch richtig klappt. Man muss jedoch beim Single-shot schauen, alles etwas heller zu fotografieren, damit der meist dabei viel zu dunkel werdende Vordergrund nicht in totalem Schwarz absäuft, weil er dann nachher beim rettenden Aufhellen rauscht, was das Zeug hält und die Aufnahme dann meist unbrauchbar wird. Das Abdunkeln der Milchstrasse im Bereich des Nachthimmels stellt fast kein Problem dar und ist viel einfacher zu bewerkstelligen. Diese Art der Milkyway-Aufnahme ist einiges schwieriger sehr gut zu realisieren. Sie bietet sich als zweiten Schritt auf dem Weg zur qualitativ hochstehenden Astrofotografie an.

SchynigePlatte-Milchstrasse-Nebel-Eiger-Mönch-und-Jungfrau_DSC1884-1-Signet-web
Diese Aufnahme im Jungfraugebiet ist so ein „one shot Foto“ und unter ganz schwierigen, sehr feuchten, nebligen und bitter kalten Bedingungen um 02:45 Uhr auf etwa 3000 Meter ü. M. mitten im Sommer entstanden. Wir waren froh um unsere Winteraussrüstung und die Objektivheizung, die bei einem Fotograf zum Einsatz kam, da sonst die Objektive immer beschlugen und alle paar Minuten mit klammen Fingern total gertocknet werden mussten.

Sternspuren, Startrails mit bis zu 400 Serienaufnahmen alle 20s auf den Polarstern bildet die Drehung des Universums ab.

Michaelskreuz-Sternspuren-Signet-web-

Zum Schluss noch etwas ganz Wichtiges. Geht als Beginner rechtzeitig an den Spot, noch bei Tageslicht und bereitet alles bei Tageslicht vor. Es ist einfacher. Macht euch einen schönen „Milkyway-Picknick-Abend“, bis es soweit ist. Nehmt nur das allernötigste Material mit. Je weniger, desto besser, ausser bei den Speichermedien und Ersatzakkus, so viele wie möglich. Wärmt die Akkus bei Kälte in der Hosentasche, dann halten sie länger.

(Double shot)

Milkyway-Wäggithalersee--Ebenen-Signet-web

Erfahrenere „Milkyway-Spezialisten“ rekognoszieren bei Tageslicht alles genau und gehen dann erst bei Dunkelheit hin. Sie bauen die Stative und Fotoapparate mit dem Licht der Stirnlampen auf und richten alles nachts ein. Dann wird kein Licht mehr gemacht und alles dunkel und blind bedient. So müssen sie weniger lange auf die Milchstrasse warten, ihre Augen bleiben immer an die Dunkelheit adaptiert und die Fotografen können nach getaner Arbeit auch schneller wieder nach Hause verreisen.
Hält euer Material im Fotorucksack, an einem zentralen Ort, etwas weg von den Stativen oder dann jeder direkt unter seinem eigenen Stativ, damit ihr es wieder findet und nicht über eure Ausrüstung und die der Kollegen stolpert, Schaden anrichtet oder Material verliert. Merkt euch die Positionen eurer Nachbarn, damit man ihnen nicht aus Versehen bei dummen Bewegungen das Stativ umstürzt. Sonst kommt dann Freude auf in der Dunkelheit. Kommuniziert, bevor ihr euch bewegt oder Licht macht. Vorbeugen ist besser als nachher heilen! Zu zweit oder zu Dritt geht es am besten. Alleine zu gehen birgt immer ein gewisses Risiko und ist zu vermeiden! Am Schluss, bevor man geht, leuchtet man am besten den Platz ab, damit man alles wieder findet und nichts liegen bleibt – auch kein Abfall, das ist ja klar.

(Single shot)
Milchstrasse-Talapsee-GL_DSC3329-Composing-3-1-Signet-web

Ihr seht, es ist eine kleine Kunst und eine Übungssache. Wir hoffen, euch hier etwas geholfen zu haben und freuen uns, viele tolle Milchstrassenfotos von euch im Netz zu sehen.

Milchstrasse-quer-Walchwilerberg-mit-Wolkenengel_DSC7935-Signet-web

Herzliche Grüsse
Birgit und Ruedi Immoos

Fotos:
Die Fotos stammen alle von Milkywaytouren von Ruedi Immoos, ausser das erste Foto ist von Birgit Immoos.

Viele Beispiele findest du auf unserer Website: www. immoos.net

Alle Fotos von Birgit und Ruedi W. Immoos finden Sie auf unserer Fotowebsite. Man darf sie gerne anschauen, alles andere auf Anfrage.
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