Die Sache mit den Superspots, Fotografen und Influencern!

Datum: 11. November 2018, redigiert 2020 und 2022

Was der Foto- und Selfietourismus zu den Superspots alles auslösen kann

Es ist ein interessantes Phänomen, dass die absoluten Superspots in der Landschaftsfotografie zu abertausenden nachfotografiert werden, teilweise mit den genau gleichen Kamerastandorten, Perspektiven, Einstellungen und Tageszeiten. Zurzeit macht gerade die „schrecklich“ schöne Linde am Schreckhorn Schlagzeilen. Neuerdings reisen auch noch von Influencern angeheizte User von Instagram und Co. in Scharen zu diesen Stellen, um sich gerade massenweise dort mit einem Selfie zu verewigen. Auch die vielen Fotokurse bringen noch zusätzliche Leute als Multiplikatoren an diese Stellen. Sie lösen einen speziellen Fototourismus aus, weil fast jede/jeder den besonderen Kick beim Fotografieren und dann besonders auch beim Präsentieren des Fotos dieses Spots im Netz selber mal erleben will. Denn man weiss genau, der Erfolg ist dir sicher, die Leute wollen vor allem solche Fotos sehen. Vor allem dann, wenn du morgens früh oder abends spät mit rot-goldener Stimmung und sicher noch einen Superspot mit Wasser fotografieren konntest.
Ich nehme mich selber da nicht aus. Ich habe es auch getan, bin aber neuerdings viel zurückhaltender damit und wäge genau ab ob, wann und nur mit Bewilligungen. Aber eben – es macht halt einfach viel mehr Spass, auf Fototour herum zu reisen und solche Supermotive nach seinen eigenen Ideen zu fotografieren, als irgendwo im „fotografischen Niemandsland“, man verstehe mich richtig, ich übertreibe absichtlich mit diesen Bezeichnungen, das Schönwetterbild eines „Fliesswässerchens“, eine niedliche „Waldlandschaft im Grünen“ oder eine „Wolkenformation mit Bergkette“ aufzunehmen, von der man aus eigener Erfahrung im Netz weiss, dass die eigentlich – bei der heutigen Fotoinflation im Netz – einfach fast niemand sehen will.

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Geht einmal die Fotos durch bei FB, Instagram und Co. Ihr findet sie schnell, massenhaft und immer wieder die selben Bilder zu Hauf, einfach mal morgens, mal abends, mit oder ohne Nebel und dramatischen Wolken, mit oder ohne Milchstrasse und mit oder ohne Selfiepersonen, die Fotos der Superspots: Stellisee mit Matterhorn, Krüppelbäume auf dem Creux du Van, Badehaus in Gorgier, Münster und Brücke in Zürich, Arnisee im Urnerland, Badehäuser in Stegen am Ammersee, Fischerhütten am Kochelsee, Kirchlein in Ramsau bei Berchtesgaden, Steinbrücke bei Lavertezzo im Tessin, Pragser Wildsee im Südtirol, die drei Zinnen in den Dolomiten, Cascade de tufs im französischen Jura, Lago di Carezza in den Dolomiten, Tine de Conflens im Waadtland, Wallfahrtskirche Maria Gern bei Berchtesgaden (mit Lichtspuren der fahrenden Autos in der Dämmerung), freistehendes Kirchlein Santa Madalena mit den Felstürmen im Südtirol, Seealpsee im Appenzellerland, Lindauer Hafen mit Leuchtturm, Kapellbrücke in Luzern, Crestasee in Films, Königsee in Bayern, Speicherstadt oder die Elbphilharmonie in Hamburg, Wasserfälle in Lauterbrunnen, Nebelwelle am Belchen, Villa in der Toscana, Drumlins auf dem Hirzel, orange Strasse in Lissabon, Kirschblüte in Tokio, schwindeleregende Felsen in Norwegen bei den Fjorden, neuerdings nun auch die Linde am Schreckhorn…, man könnte noch viele andere aufzählen; jeder findet sie, man muss nur recherchieren und hinfahren. Man darf sich einfach nicht wundern, wenn dann an dem besagten herrlichen Spot bei super Licht und Wettersituation schon zehn, zwanzig oder mehr, immer mehr Stative positioniert sind, viele schon dort biwackiert oder gecampt die Nacht verbracht haben, eine Kolonne von Selfiejägern bereit stehen, ein Gedränge herrscht und alles zugeparkt ist.

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Manchmal frage ich mich jedoch, was der Fototourismus zu diesen Superspots auslösen könnte und nun auch auslöst. Wie lange es noch geht, bis man bei diesen Superspots und auch bei anderen schönen Stellen gar nicht mehr hin kann (alles abgesperrt und mit Betretungsverboten belegt) oder für das Fotografieren bezahlen muss! Ihr kommt da hin, alles ist eingezäunt, abgesperrt mit Sichtschutz wie bei Konzerten, Veranstaltungen, Tiergärten, Museen oder anderen Anlässen. Stellt euch vor, ihr müsst beim Hintersee in Bayern ein Ticket lösen, um zu den Felseninseln zu kommen. Ein schreckliches Szenario aber wir wissen es ja, Geld ist geil und jeder will so viel wie möglich, lieber noch mehr als möglich. Abzocken ist in! Die Tourismusverbände bewerben das Ganze sehr aggressiv in vielen Ländern und bezahlen die Influencer, damit sie darüber berichten und die Massen anlocken. Wachstum, Wachstum und Steigerung der Frequenzen ist ja alles, scheinbar. Nun wird man die Geister, die man rief nicht mehr los! Anmerkung (2020): Nun befeuert Corona das Fotografieren und alleine oder in der Familie herumreisen und Campen im eigenen Lande, auch bei den Superspots, auch noch zusätzlich!
In den Dolomiten bei der Kapelle St. Madalena soll der Bauer schon Geld verlangen, damit man die allein stehende Kapelle mit den markanten Bergtürmen fotografieren darf, wurde in den Medien berichtet.
Bei den schönen Lavendelfeldern in der Provence tummeln sich in der Blütezeit an gewissen besonders fotogenen Stellen Selfiejäger, Influencer, Fotografen und andere Reisende, mehrheitlich aus asiatischen Ländern, aber auch aus Europa und Amerika zu Hunderten in den Feldern und trampeln alles nieder. Auch hier verlangen die Besitzer nun Eintritt. Bei einem Spot mit schönen Bäumen haben sie diesen mit riesigen Werbetafeln vor den Bäumen unfotografierbar gemacht; das habe ich kürzlich im Fernsehen anschauen können.  Auch haben sich Diebe und anderes Gesindel die Fotografen als Opfer ausgesucht und machen oft reiche Beute da unten! Neu (2020) wurden auf dem Creux du Van die schönen Spots alle eingezäunt und der Zugang nach vorne verboten, um die Pflanzen zu schützen, die durch die Tausende von Besuchern und Influencern gefährdet waren. Weiss Gott, was alles noch kommt, weil die Menschenmassen so unvernünftig sind!

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Ein Geschäft wird ja bereits tüchtig betrieben mit den zahlreichen Angeboten zu Fotoreisen auf die Lofoten, nach Norwegen, Island, Afrika, in die Toskana oder auch im Kleinen zu den Spots in unserem eigenen Land. Ich weiss schon, diese Angebote sind ein Zusatzverdienst für Profifotografen, die es schwer haben heute, mit ihren Fotos den Lebensunterhalt zu verdienen. Es ist aber eine kontraproduktive Einnahmequelle, weil so immer noch mehr Fotografen in der Lage sind, Fotos auf den Markt der Leserfotos oder Wettbewerbe zu schwemmen und die „Gratisfotoarchive“ der Verlage zu füllen. Aber das ist ein anderes Thema.

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Wir sind selber in unserer Landschaftsfotografie immer wieder auf der Suche nach eigenen, neuen, schönen Spots. Hin und wieder klappt es. Aber es ist gar nicht so einfach, diese zu finden und aufzusuchen, wenn man nicht gerade ein Survivalexperte und schon etwas älteren Jahrgangs ist, da Neues meist nur noch sehr abgelegen und im schwierigen Gelände zu finden ist. Anderes ist bereits fotografisch abgeklappert. Auf diesen ganzen Fotorun ist auch zurückzuführen, dass viele Fotografinnen und Fotografen in der Landschaftsfotografie gar nicht mehr genau angeben, wo sie was fotografiert haben. Wir manchmal auch, ausser man erkennt die Location sowieso schon. Weil wenn, setzt dann sofort der Fotografen- und Influencerrun ein, weil die ja damit das grosse Geld zu wittern scheinen. Veröffentlichst du ein besonders schönes Landschaftsfoto, das Erfolg hat, auch ohne Ortsangabe, kommen dann sofort hartnäckig die Fragen nach der genauen Örtlichkeit des Spots.

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Oder…..ist es euch nicht auch schon aufgefallen. Da hast du wieder mal ein Superfoto geschossen, wirklich toll, alles bestens, herrliches Licht, interessante Stimmung, grandioses Motiv, einfach 100% gelungen. Stellst du es dann voller Freude ins Netz und hat es Erfolg bei den Fotofreunden, dauert es nicht lange und überall in den Fotoplattformen findest du plötzlich wahnsinnig viele ähnliche Fotos des gleichen Motivs im ähnlichen Licht, wenn möglich noch am selben Ort fotografiert!

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Fotorun eben, da kann man nichts machen, so ist es halt. Das Fotografieren ist frei, im Rahmen der Gesetze wenigstens und mit dem notwendigen Anstand – zum Glück – wie lange noch? Es gibt zum Glück kein „Erstfotografierecht“ für ein Motiv oder einen Spot in der Landschaft! Alle Fotografen dürfen sich fotografisch verwirklichen. Aber eben – etwas Verantwortung und Rücksichtnahme wäre angesagt, sonst wird bald überall fast alles verboten sein.

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Take it easy – fotografieren ist ein wahnsinnig schönes Hobby, vor allem, wenn man einfach so fotografieren darf, wo man will und wie man will (unter Einhaltung der Gesetzte mit Rücksichtnahme und Anstand. Superspot, neuer Spot oder gar kein Spot, einfach schön, auf Gerangel, Konkurrenz und Missgunst haben wir keinen Bock. Stehen da schon 20 Stative oder viele Influencer hauen wir wieder ab. Wir freuen uns einfach wahnsinnig an dem gemeinsam ausgeübten Fotohobby und den wunderbaren Produkten daraus – auch an denen von anderen Gleichgesinnten. Und irgendwann, halt zu Unzeiten und bei üblem Wetter, sind wir dann alleine an einem solche Superspot; dann macht es besonderen Spass.

Bildquellen:

Titelbild: Foto: Ruedi Immoos; Superspot Badehaus in Stegen am Ammersee
Beitragsbild 1: Foto: Birgit Immoos; Superspot Badehaus in Gorgier am Neuenburgersee
Beitragsbild 2: Foto: Ruedi Immoos; Superspot Tine de conflens in der Waadt
Beitragsbild 3: Foto: Ruedi Immoos; neuer Spot; Sonnenaufgang im Schwyzerland
Beitragsbild 4: Foto: Ruedi Immoos; neuer Spot; Morgenerwachen mit Nebelschaden (LU)
Beitragsbild 5: Foto: Birgit Immoos; Superspot Drumlins Hirzel
Beitragsbild 6: Foto: Birgit Immoos; neuer Spot, irgendwo, kann jeder suchen
Beitragsbild 7: Foto: Ruedi Immoos; neur Spot; dramatische Wettersituation am Mythen

Artikel redigiert 2020 und 2022.

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