Die allemannische Fasnacht von Schwyz – eine fotografische Herausforderung

Datum: 02. Februar 2020

Es ist ein wahres Highlihgt – manchmal auch eine Mutprobe – für Fotografinnen und Fotografen, am 1. Fasnachtstag, am Schmutzigen Donnerstag oder am Güdismontag, im Hexenkessel der Schwyzer-Fasnacht, unter Hunderten von verschiedenen Maskeraden, die typischen „Nüssler-Figuren“ während ihres närrischen und tanzenden Treibens inmitten der unzähligen Schaulustigen zu portraitieren.

Kommst du an einem dieser Tage nach Schwyz, wirst du die Fasnacht, meist  bevor du überhaupt etwas von ihr zu sehen bekommst, zuerst hauptsächlich akustisch wahrnehmen. Eine närrische Symphonie aus hochtönigem Kreischen, mundartlich auch als „geussen“ bezeichnet und ohrenbetäubende, dumpf rollende und wirbelnde Trommelgeräusche bilden zusammen mit lauten und gellenden, verstellten, sonoren Kopfstimmen der intrigierenden Maskeraden einen besonderen Sound. Dieser hallt den ganzen Tag von morgens früh, bis abends durch das Dorf unter den Mythen. Den wirst du zeitlebens ganz sicher nicht mehr vergessen, das garantiere ich dir.

Und dann, irgendwann wirst du das Ereignis auch sehen. Immer mehr Menschen streben dem historischen Hauptplatz unter der Kirche, neben dem Rathaus und vor dem Hotel Wysses Rössli zu. Dort ist das ganze Spektakel natürlich am Schönsten zu beobachten und zu fotografieren, obwohl die Rott der Maskeraden im Laufe des Tages ständig von Restaurant zu Restaurant durch fast alle Strassen und Gassen des ganzen Dorfes zieht. Wenn du nun denkst eine Rott, dann liegst du falsch. Es gibt verschiedene, weil es nicht nur einen Nüsslerverein gibt.

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Zuerst siehst du einfach viele Leute und Schaulustige, unzählige Kinder, meistens auch von ihren vom Nüsslervirus befallenen Eltern in solche „herzigen“ Minimaskeradenkostüchmen gekleidet, die alle mehr oder weniger in eine Richtung orientiert sind. Dann beginnt der Einzug auf den Hauptplatz, meistens am Nachmittag.

Nüsseln

Bei gutem Wetter strömen manchmal bis zu 200 verkleidete Maskeraden, fast alle in den offiziellen Kostümen, in mitten der Zuschauer auf den Platz und unter die Leute.

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Im Zentrum der Rott marschieren die beiden Tambouren und der Maskeradenvater auf. Sie bilden das Kommando der Rott und bestimmen das Geschehen. Der von vielen Wirbeln und Synkopen durchsetzte Rhythmus des getrommelten Narrentanzes mit seinen immer wiederkehrenden Takten, geht richtigen Maskeraden und den Zuschauern durch Mark und Bein; einigen läuft kalter Schweiss den Rücken hinunter.

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Der Narrentanz ist der Start zum „Nüsseln“. Das ist ein ganz spezieller und anstrengender Zehenspitzentanz. Die Maskeraden drehen sich dabei – ohne je auf die Absätze stehen zu dürfen – minutenlang im Kreis, die Füsse müssen im genauen Trommeltakt – immer wieder von neuem – elektrisierend nach vorne gespickt werden. Manchmal werden die Nüssler dabei beurteilt und gewinnen beim Preisnüsseln den begehrten Meistertitel. Für den Sieger oder die Siegerin ist das eine ganz besondere Ehre.

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Seit ein paar Jahren wagen sich nun vermehrt auch einige kakaphonische Töne von Guggenmusiken, der altehrwürdigen Schwyzer „Normalfasnachtssymphonie“, einige gewollte Misstöne in das bunte Treiben einzuguggen, genau wissend, hier in der Höhle der „Schwyzer Nüssler“, ganz sicher nur die zweite, geduldete, verstimmte Geige, eh… natürlich das verstimmte Sousaphone spielen zu dürfen.

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Die Maskeraden beschenken die Zuschauer und die Kinder mit Orangen, die manchmal auch weit über den Platz geworfen und gefangen werden müssen. Früher waren es eben Nüsse, weil man nichts anderes hatte. Darum heissen die Maskeraden allgemein heute noch Nüssler, Schwyzer Nüssler. Viele verteilen Süssigkeiten, Patisserie, Schokolade, spezielle Bonbons (Feuersteine genannt) aber auch Brötchen und Servelats und viel anderes Gutes mehr.

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Damit die Kinder etwas bekommen, müssen sie eben kreischen (geussen), so laut sie können und: „Sind so guet Maschgrad!“ (Seien sie so gut Maskerad!) rufen, schreien und kreischen. Dann öffnen sich die Schleusen und die Präsente werden den Kindern und Erwachsenen verteilt, heute meistens brav in die Hand. Manche sehr freigebige schütten ganze Kisten, Körbe und Harassen solcher „Gudis“ auf einmal in die Menge der Kinder. Wenn du Glück hast, kannst du einen ganz schönen Vorrat mit nach Hause nehmen.

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Gegen den Nachmittag entwickelt sich das Ganze auf dem Hauptplatz zu einem archaischen, närrischen Fest. Fotografen kommen hier in allen Positionen zum Schuss. Die Maskeraden posieren gerne, einige fragen dann halt nach einem geschenkten Foto, wenn sie dir ganz besonderen Klamauk geboten haben. Das macht man dann doch, so kommen beide auf die Rechnung. Mit dem Datenschutz hat man meistens keine Probleme, denn die Figuren tragen ja die Masken und sind unkenntlich. Einige sind nur sehr gut geschminkt, vor allem die Kinder.

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Als Fotografin kannst du dich da so richtig ausstoben. Es herrscht eine richtig tolle Atmosphäre. Schau doch mal in diesem Foto rechts unten den kleinen Zigeuner an, der da aus vollem Halse kreischt, um Wurst und Brot zu bekommen. Wenn du dich vorher ein wenig im Netz informierst, wirst du den Verlauf der Veranstaltung begreifen, die verschiedenen Fasnachtsfiguren genau erkennen und von allen Figuren farbenprächtige Portraits in den Kasten bekommen. Dass du auch mit der Videofunktion deines Fotoapparates hier tolle Szenen drehen kannst, muss ich dir ja nicht erklären!

Wachsmasken der Hauptfasnachtsfiguren der Schwyzer-Nüssler (Composing RI): 1.+2. Reihe v.l. nach r.: Blätz, Hudi, Domino (hell) / Zigeuner, alter Mann+Bauer, Bajazzo.

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Am besten fotografierst du mit einem Portraitobjektiv (bei Vollformat: 85 mm – 135 mm; oder bei APS-C: 50 mm – 90 mm) aus der Hand und nimmst zur Sicherheit vielleicht nur deine zweitbeste Kamera mit, sonst nichts, da oft ein grosses Gedränge herrscht, manchmal Orangen geworfen werden und du so nur auf einen Ausrüstungsgegenstand aufpassen musst. Vorsicht ist die Mutter der Fotokiste!

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Das sind einige der Hauptfiguren der Schwyzer Fasnacht, oben von links: Bajazzomeitli, Blätz, Zigeuner, Alter Mann. Es gibt noch einige mehr, die immer wieder auftauchen und sich den Zuschauern präsentieren z.B. unten, abwärts folgend: Bauer, Hudi, Domino, Blätz, Alter Mann, Bajazzomädchen (Zigarette rauchend). Früher rauchten die meisten Maskeraden den ganzen Tag Brissagos. Heute manchmal noch Zigaretten; meistens aber nichts mehr: Rauchen ist nicht mehr so in!

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Neben diesen erscheinen zuweilen noch andere, seltenere auf wie etwa ein Bajazzo-Bueb, Zuckerbeck, Metzger oder Viehhändler. Manchmal kommt auch noch die Figur eines roten Teufels vor, man sieht ihn aber heute nur noch sehr selten. Die Paradefigur ist der Blätz, mit den vielen Rollenglocken am Lederzeug. Von ihr gibt es immer sehr viele.  Er verrät noch den italienischen Einfluss auf unser Schwyzer Fasnachtstreiben und geht vermutlich auf den Arlecchino in der Commedia dell’arte zurück. Alle Fasnachtsfiguren lernt man hier mit Text und Zeichnung näher kennen. Ich habe es nicht geschafft, an einem Tag alle Figuren gut zu portraitieren. Aber das kannst du ja dann vesuchen. Viel Vergnügen!

Version 3

Und wer dann doch lieber auch noch einige farbenprächtig geschminkte Gugger erwischen will, schafft das sehr gut und ohne Probleme.

Gugger grün-blau_DSC3025


Wann ist es in Schwyz 2020 wieder soweit?

Noch an diesen beiden Tagen kannst du die Erwachsenenfasnacht in Schwyz fotografieren:
Schmutziger Donnerstag am 20.02.2020
Güdelmontag am 24.02.2020

Link:  Recherche über die Schwyzer Fasnacht

Link: Narrentanz Schwyzer Nüssler, Video mit Ton


Fotos:
Die Fotos im Artikel stammen alle von Birgit und Ruedi Immoos und unterliegen dem ©. Titelbild: Ruedi W. Immoos.

 


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2 Gedanken zu „Die allemannische Fasnacht von Schwyz – eine fotografische Herausforderung“

  1. Einmal mehr ganz grosse Klasse, die Fotos und der Bericht, danke Birgit und Ruedi!
    Von der Qualität her Studioaufnahmen im Gedränge und Gewusel und mit freier Hand, alle Achtung!
    Herzlich Walter

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